Hallo,
Geschrieben von Jürgen M.Diesem Kommentar kann ich voll zustimmen ...
Dem Kommentar kann ich so eigentlich nicht zustimmen. Was mir Angst macht sind Politiker, die nicht dem Brandschutz Rückendeckung geben, sondern versuchen, den Brandschutz für eigene Interessen zu instrumentalisieren, und mir macht eine Presse Angst, die womöglich ohne Fachkenntnis den Brandschutz instrumentalisiert, um Angst zu schüren.
Geschrieben von Jürgen M.mir ist klar das man bei diesem Thema Feuerwehr und Politik nicht trennen kann.
Aber trotzdem sollten wir hier im Feuerwehr-Forum diese Thema unter Feuerwehrsicht diskutieren. Aber bitte nicht (nur) aus feuerwehremotionaler Sicht, ohne den politischen Auftrag der Feuerwehr außer Acht zu lassen.
Brandschutz ist in gewisser Weise immer politisch, das ist gut so, und dafür sollten wir alle dankbar sein. Der Gesetzgeber gibt nicht nur die Pflicht zur Vorhaltung und Ausstattung der Feuerwehr vor, sondern auch die Tätigkeit als politisch bestimmten Grundauftrag in einem gewissen Mindestmaß, das im Regelfall bei Zutreffen aller Voraussetzungen im Zusammenspiel der Rechtsgrundlagen des Brandschutzes auch erfüllbar ist.
Was die Feuerwehr darüber hinaus leistet ist dann Leistung, Einsatz, Zufall, Good Will, Glück, wie man es auch immer nennen will. Um die Festlegung dieses Mindestmaßes müssen wir froh sein, weil das sichert die Feuerwehr vor nachträglichen Forderungen durch Brandleider, die Feuerwehr hätte zwingend mehr machen müssen, als sie getan hat. So kann z.B. keiner verlangen, dass man (auf Teufel komm raus unter ggf. unkalkulierbarer Eigengefährdung) jeden retten MUSS, der durch Nichtbeachtung der mit dem Feuerwehrwesen zusammenspielenden Gesetze die Gefahr für sich selbst heraufbeschworen hat oder das Tätigwerden der Rettungskräfte selbst erschwert.
Kann denn irgendjemand hier im Leserkreis mitteilen, was denn am Brandschutz in den betroffenen Gebäuden nicht passt? Ich hab bisher in allen verlinkten Berichten oder Filmchen nichts gefunden, was die Brandschutzmängel konkretisiert. Manche sprechen zwar davon, dass für Feuerwehr (und Polizei???) kein ungehinderter und jederzeitiger Zutritt zu den Gebäuden besteht. Also: Muss ich ab jetzt meine Haustür dauerhaft offenhalten, nur weil mich Feuerwehr (und Polizei???) mal besuchen könnte?
Ich frage mich auch tatsächlich, ob die Aufdecker aus Politik, Funk und Fernsehen den genehmigten Soll-Zustand der betreffenden Gebäude so gut kennen, um dort Mängel festzustellen. Oder handelt es sich dabei um Zustände, die vielleicht sogar nach geeigneter Auslegung dem Bauordnungsrecht entsprechen, für die Bewohner völlig normal und bekannt sind ( organisatorischer Brandschutz vorhanden und passt, wenns brennt werden alle Türen geöffnet), die aber den Mängelbehauptern unbekannt sind und nicht deren Normalitätsbildnis entsprechen? Ich weiß es nicht.
Ebenso frage ich mich, wieso im Brand- und (Personen)Schadensfall dann die Feuerwehr der Buhmann sein soll und was das mit dem Brandschutz zu tun hat.
Politisch ist vergleichbar zu den Brandschutzgesetzen anderer Bundesländer - sicher auch in Berlin vorgesehen, dass eine entsprechend leistungsfähige Feuerwehr vorzuhalten ist. OK, man mag sich streiten, ob die Fahrzeug- und Personalausstattung in Berlin zur Meisterung aller erdenkbaren Schadensfälle ausreicht, aber ein Brand in einem Mehrfamilienhaus, der dort im Regelfall in einer Nutzungseinheit (Wohnung, Keller) ausbrechen kann und sich im Regelfall nicht über das Gebäude (=Brandabschnitt) hinaus ausbreitet, dürfte der Berliner Feuerwehr keine Schweißperlen auf die Stirn treiben. Das wird dort Tagesgeschäft sein und mit der vorhandenen Ausstattung (gegenüber einer im ländlichen Bereich üblicherweise weniger vorhandenen Ausstattung) wohl leistungsfähig zu bekämpfen sein. Wer daran zweifelt, der wird wohl auch nicht geeignet sein, das (selbstgeschürte) Feuer in einer Blechtonne im Zaum zu halten (SCNR).
Grundsätzlich stellt das Bauordnungsrecht keine Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Feuerwehr. Das Bauordnungsrecht geht von einer den örtlichen Verhältnissen entsprechend einsatzfähigen Feuerwehr aus und regelt nicht den Einsatz der Feuerwehr (dafür gibts z.B. das ASOG Bln und das FwG Bln). Das Bauordnungsrecht, und hier insbesondere die Anforderungen zum Brandschutz, regelt den Bau so, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) VORGEBEUGT wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten MÖGLICH sind. Aufgemerkt! Hier steht VORGEBEUGT und nicht z.B. verhindert und MÖGLICH und nicht sichergestellt.
Die grundsätzliche Möglichkeit zur Personenrettung gewährleistet das Bauordnungsrecht durch die Sicherstellung des ersten Rettungsweges, der vornehmlich der Eigenrettung dient. Das Bauordnungsrecht setzt im Regelfall voraus, dass es für die Nutzung baulicher Rettungswege bei der Personenrettung nicht der Mitwirkung der Feuerwehr bedarf. Es wird vorausgesetzt, dass sich die Personen im Gefahrenfall über den ersten Rettungsweg selbst in Sicherheit bringen können.
Für Wohnungen wird die frühzeitige Alarmierung der Bewohner zur Eigenrettung mittlerweile bundesweit durch Rauchwarnmelder unterstützt. Für Standardbauten regeln die Bauordnungen (eigentlich abschließend), dass der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr führen darf. Dazu setzten die Landesbauordnungen voraus, dass jede öffentliche Feuerwehr über Rettungsgeräte (tragbare Leitern) verfügt, mit denen Brüstungen in einer Höhe von bis zu 8 m über der Geländeoberfläche erreicht werden können. Liegt die Oberkante der Brüstung von zum Anleitern bestimmten Stellen mehr als 8 m über der Geländeoberfläche, dürfen Gebäude, deren zweiter Rettungsweg über Geräte der Feuerwehr führt nur errichtet werden, wenn die örtliche Feuerwehr über die hierfür erforderlichen Rettungsgeräte (i.d.R. Drehleiter) verfügt. Die Feuerwehr Berlin verfügt meines Wissens nach sowohl über tragbare Leitern als auch über Drehleitern. Gibts jetzt in den Häusern noch Treppen, ggf. auch in Treppenräumen, dann ist eine Personenrettung bestimmt auch "möglich".
Wie bereits hier schon geschrieben können wirksame Löscharbeiten auch dann als gegeben angesehen werden, wenn aufgrund der bereits fortgeschrittenen Brandentwicklung beim Eintreffen der Feuerwehr einzelne, brandschutztechnisch abgetrennte Räume, eine Nutzungseinheit, ein Brandabschnitt oder auch ein Gebäude aufgegeben werden, wenn aber die benachbarten Räume/Nutzungseinheiten/Brandabschnitte/Gebäude durch den Feuerwehreinsatz geschützt werden. Zur Ermöglichung wirksame Löscharbeiten sieht das Bauordnungsrecht grundsätzlich vor, dass die Feuerwehr das Gebäude von der öffentlichen Verkehrsfläche aus ungehindert erreichen und die Rettungswege als Angriffswege nutzen kann. Zudem lässt das Bauordnungsrecht nur einen zeitlich eingeschränkten Feuerwehreinsatz innerhalb des Gebäudes zu, der durch den entsprechenden Feuerwiderstand der tragenden und raumabschließenden Teile bestimmt wird. Steht genügend Löschwasser zur Verfügung, was in Berlin zutreffen sollte, dann kann man schlimmstenfalls - auch ohne Betreten des Gebäudes - von außen den ozeanischen Löscheffekt nutzen und eine Nutzungseinheit rausschwemmen. Grundsätzlich wären dann auch wirksame Löscharbeiten "möglich".
Werden nun manche/einige/viele/alle Randbedingungen für einen idealen Feuerwehreinsatz in dem Gebäude durch die Bewohner selbst außer Gefecht gesetzt, die mit allen legalen (und auch illegalen) Mitteln die Unverletzlichkeit ihrer Wohnung tapferst verteidigen, dann haben diese Bewohner auch absolut kein Recht, sich darauf zu berufen, dass die Feuerwehr im Brandfall durch einen übermäßigen und auch selbstgefährdenden Einsatz die ganzen Missstände hätte ausgleichen müssen. Fordert das Bauordnungsrecht z.B. in § 35, Abs. 6 Nr. 3 BauO Bln für Öffnungen von notwendigen Treppenräumen zu sonstigen Räumen und Nutzungseinheiten mindestens dicht- und selbstschließende Abschlüsse, dann verbietet das doch keinem, hier eine 38fach gesicherte Tresortür einzubauen, so lange sie dicht- und selbstschließend ist (ggf. bestandsgeschützt auch nur dichtschließend). Will die Feuerwehr da rein (wozu auch immer) dann kanns mal etwas länger dauern (ggf. zu Lasten des Bewohners, sein Problem). Auch wenn § 5, Abs. 1 Satz 1 BauO Bln vorgibt: Von öffentlichen Verkehrsflächen ist insbesondere für die Feuerwehr ein geradliniger Zu- oder Durchgang zu rückwärtigen Gebäuden zu schaffen; zu anderen Gebäuden ist er zu schaffen, wenn der zweite Rettungsweg dieser Gebäude über Rettungsgeräte der Feuerwehr führt, dann kann der Durchgang bei dem U-förmigen Gebäude zwar da sein, es dauert aber etwas länger, bis dort eine Leiter steht. Das Bauordnungsrecht nennt dafür ja auch keine explizite Zeit. Dauert es dann durch ein erforderliches Zwangs-Türöffnen und Fallen beseitigen eine Stunde, bis im Innenhof die erste Leiter steht, dann dauert es halt so lange. Die Möglichkeit ist ja da. Dass diese Zeit zuzüglich der erforderlichen Zeit für die Personenrettung über Leitern dann nicht unbedingt zum Feuerwiderstand der Trennwände passt, ist nicht das Problem der Bauaufsicht und der Feuerwehr, wenn die Bewohner des Gebäudes durch (bauordnungsrechtlich nicht geregelte, d.h. auch nicht verbotene) Maßnahmen die zur Rettung erforderliche Zeit in die Höhe treiben. Wer gerettet werden will, der muss auch was dafür tun. Jeder bekommt (nur) die Sicherheit, die er zu leisten, zu bezahlen und zu ertragen bereit ist!
Schwierig natürlich für den Löschknecht oder noch schlimmer für die Führungskraft vor Ort, das zu erkennen und vor allem auch vor sich selbst zu akzeptieren und (noch schlimmer!) gegen einen aufgeheizten Mob zu verteidigen. Trotzdem, hilft vielleicht rechtzeitig stehenbleiben auch mal Leben retten, hier insbesondere das eigene Leben der Einsatzkraft. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass das leichter gesagt ist als vor Ort zu entscheiden und die möglicherweise fatalen Folgen zu erleben, aber die Feuerwehr kann einfach nicht jeden rechtzeitig retten, der der Rettung selbst Steine in den Weg legt.
In diesem Zusammenhang ist mir auch wieder einmal einer der Leitsätze u einem Beschluss des OLG Stuttgart im Zusammenhang mit den tödlichen Einsatzunfall in Tübingen in den Sinn gekommen.
Die Grenze der Zurechnung ist erreicht, wenn sich der Rettungsversuch von vornherein als sinnlos oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbunden und damit als offensichtlich unvernünftig darstellt. Dies ist der Fall, wenn die Risikofaktoren in einer objektivierten ex-ante-Betrachtung so gewichtig sind, dass auch unter angemessener Berücksichtigung der psychischen Drucksituation der Rettungskräfte deutlich ist, dass die (weitere) Durchführung der Rettungsaktion zu einem gänzlich unvertretbaren Risiko für Leib und Leben der Retter führt. (OLG Stuttgart Beschluss vom 20.2.2008, 4 Ws 37/2008; 4 Ws 37/08)
Ich hab anfangs geschrieben, dass es gut ist, dass der Brandschutz politisch bestimmt ist. Nicht gut ist aber, wenn der Brandschutz politisiert wird und von Politikern genutzt/vorgeschoben wird, um mit Angstschüren Interessen durchzusetzen, die selbst mit dem Brandschutz nichts zu tun haben.
Meine eigenen Gedanken über die ganze Brandschutzposse
Ich hab das Gefühl, dass es doch eigentlich bei der ganzen Aufregung nur darum geht, dass sich die Politiker gegenseitig an den Karren fahren wollen, und damit sie sich ja nicht ihr weißes Westchen beschmutzen oder den Finger krumm machen müssen, spannen sie sich andere (den Brandschutz und alle, die damit zu tun haben könnten, Bauaufsicht, Feuerwehr, Polizei, ) vor ihren Karren und zeigen mit dem Finger auf andere. Und welch positiver Nebeneffekt kann man sich unter dem Deckmäntelchen des Brandschutzes noch derer entledigen, die sich zum eigenen Missfallen in den streitgegenständlichen Gebäuden aufhalten. Wenn den Jammer- und Pranger-Politikern wirklich ach so viel am "Brandschutz" und am Leben und an der Gesundheit der Hausbewohner liegen würde, warum gehen sie dann nicht zu den Bewohnern, suchen als Missionare im Namen des Brandschutzes das Gespräch mit den Bewohnern und überzeugen sie von der Wichtigkeit der Brandschutzvorschriften? Oder nehmen es in ihr Wahlprogramm öffentlich und für jeden erkennbar auf: Ich beabsichtige die konsequente Durchsetzung von Brandschutzvorschriften in meinem gesamten Wahlbezirk zur Sicherheit und für ein langes Leben meiner Wähler!
Dass dann auch noch die Presse mit auf den Zug aufspringt ist nicht weit hergeholt. Zustimmen kann ich womöglich nur dem letzten Satz des verlinkten Kommentars. Angesichts der Realität nur leeres Geschwätz.
Grüßla,
FP
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